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Fauna+Flora des Fichtelgebirges

Kriterienliste Windenergie-Vorranggebiete BUND Naturschutz in Bayern e. V.

1. Vorwort

2. Lenkungsfunktion der Vorranggebiete

3. Dezentrale Konzentration

4. Windhöffigkeit

5. Infrastruktur

6. Natur- und Artenschutz:
6.1 Artenschutz.
6.2. Schutzgebiete.

7. Wälder

8. Wasserversorgung

1. Vorwort

Um die Klimaschutzziele Deutschlands und Bayerns zu erreichen und eine sichere erneuerbare Energieversorgung auch im Winter zu gewährleisten, brauchen wir neben der Reduktion des Endenergieverbrauchs bis zum Jahre 2030 um 50%, einen massiven Ausbau der Windenergie in Bayern.

Die Nutzung der Windenergie leistet einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Minderung und damit zum Klimaschutz, da sie in Bezug auf den Flächenverbrauch die effizienteste regenerative Energiequelle darstellt und im Jahresverlauf relativ gleichmäßig Energie liefert. Die Anlagen können zudem leicht rückgebaut werden.

Der BN ist sich bewusst, dass beim Ausbau der Windenergie Konflikte mit dem Schutz bestimmter Tierarten auftreten. Vor dem Hintergrund der massiven Bedrohung unserer Ökosysteme durch den Klimawandel gibt es derzeit jedoch auch aus Sicht des Artenschutzes keine Alternative zum Ausbau der Windkraft. Daher müssen Natur- und Artenschutz sowohl bei der Planung von Vorranggebieten für die Windkraft als auch bei der Wahl der einzelnen Standorte beachtet und gestärkt werden, um die gleichzeitig zur Klimakrise stattfindende Biodiversitätskrise zu bekämpfen.

Mit der hier veröffentlichten Kriterienliste stellt der BUND Naturschutz ein Werkzeug vor, mit dem die Flächensuche für Windkraftvorranggebiete in Bayern naturverträglich umzusetzen ist. Sie gründet auf der Bundesposition 56 „Für einen natur- und umweltverträglichen Ausbau der Windenergie 56“ und dem Beschluss des BN-Landesbeirates vom 28. November 2009 „Weiterentwicklung der BN-Positionen zu Erneuerbaren Energien in den Bereichen Photovoltaik-Freiland-Anlagen und Windkraftwerken“, stellt jedoch keine neue generelle Positionierung des Verbandes zum Ausbau der Windenergie dar. Sie geht auch noch nicht im Detail auf die Standortplanung einzelner Windenergieanlagen ein, da der BN hierbei die behördlich verbindliche Vorgehensweise berücksichtigen muss, die für Bayern noch nicht feststeht.

Flächenziel für Windenergie
Durch das „Windenergie-an-Land-Gesetz“ werden den Bundesländern Flächenziele für den Ausbau der Windenergie vorgegeben. Jede Planungsregion in Bayern muss demnach bis 2027 mindestens 1,1% Windenergie-Vorranggebiete ausweisen. In einem zweiten Schritt müssen dann bis 2032 landesweit 1,8 % Windenergie-Vorranggebiete ausgewiesen werden. Eine gute Regionalplanung ist essentiell für den Windenergieausbau, denn nur dann besteht auch eine Planungssicherheit. Für den BUND Naturschutz (BN) ist es daher Ziel, in jeder Planungsregion bereits schnellstmöglich bis 2025 mindestens 2% der Region als Vorranggebiete auszuweisen, um die energetischen Ziele auch zu erreichen, wenn nicht alle Vorranggebiet genutzt werden. Und so schaffen wir für den schnell benötigten Ausbau der Windenergie einen entscheidenden Zeitvorsprung.

Wenn die harten Ausschlusskriterien des BN (z.B. Schutzgebiete…) etwas weniger Vorranggebiete als 2% ermöglichen, kann von diesem Flächenziel ggf. vorübergehend geringfügig abgewichen werden. Dieser Beitrag muss dann in anderen Planungsregionen geleistet werden.

Derzeit konzipiert die Bundesregierung Artenhilfsprogramme für die von der Windkraft betroffenen Arten. Sie werden aus Bundesbudget und den Beiträgen der Windkraftbetreiber finanziert. Der BUND Naturschutz fordert, damit großflächige Lebensräume für diese Arten zu schaffen und so ihren Erhaltungszustand zu verbessern.

2. Lenkungsfunktion der Vorranggebiete

Für eine gute Auswahl der Windenergie-Vorranggebiete sind verschiedene Kriterien zu beachten. Der BN unterscheidet zwischen Ausschlussgebieten, Vorranggebieten und neutralen Gebieten, in denen der BN die Planung von Windkraftanlagen nicht ausschließt, die aber nicht als Vorranggebiete ausgewiesen werden können, weil mögliche Konflikte, etwa beim Artenschutz, hier viel genauer zu betrachten sind. An den konkreten Standorten muss immer dafür gesorgt werden, dass die Eingriffe in Natur und Artenvielfalt minimiert werden – Minimierungsgebot.

Vorranggebiete sollen eine steuernde Wirkung haben. Daher müssen Windenergieanlagen vorrangig in diesen Gebieten errichtet werden.

Neutrale Gebiete: Für Genehmigungen von Windrädern außerhalb von Vorranggebieten sind deutlich tiefere Untersuchungen (z.B. Artenschutzgutachten) an den geplanten Standorten durchzuführen. Die neutralen Gebiete sind jedoch in aller Regel weniger geeignet für Windkraftanlagen als Vorranggebiete.

Ausschlussgebiete: Alle in diesem Papier genannten Ausschlussgebiete müssen auch als solche ausgewiesen werden und dürfen in keinem Fall für Windkraftnutzung zur Verfügung stehen.

Auch wenn sich dieses Papier auf die laufende Planung der Vorranggebiete bezieht, enthält es bereits erste grundlegende Hinweise für die Berücksichtigung von Naturschutzbelangen bei der konkreten Standortwahl in Vorranggebieten und neutralen Gebieten.

Bei möglichen kollidierenden Interessen in Vorrang- und Vorbehaltsgebieten mit anderen Zwecken als der Windenergie (z.B. mit Bodenschätzen) ist der Windenergie der Vorzug gegeben. Der Grundsatz bei Zielkonflikten Vorrang für Belange des Natur- und Umweltschutzes zu geben ist auch im Landesentwicklungsplan enthalten und muss daher auch durchgehend durchgesetzt werden.

3. Dezentrale Konzentration

Ziel der Regionalen Planungsverbände soll es aus Sicht des BN sein, Vorranggebiete in einer Größe von min 15ha auszuweisen, um mindestens drei Windräder errichten zu können. Denn eine Konzentration erhöht die Wirtschaftlichkeit (Gutachten, Leitungsbau für Anschlüsse etc.) und ist aus Landschaftsschutzgründen zu befürworten.
Nur wenn das Flächenziel von 2% mit diesen konzentrierten Vorranggebieten nicht erreicht wird, können auch kleinere Gebiete ausgewiesen werden.

4. Windhöffigkeit

Windverhältnisse und Windgeschwindigkeiten eines Standortes (Windhöffigkeit) entscheiden darüber, ob eine Windkraftanlage rentabel betrieben werden kann. Daher ist auf eine ausreichende Windhöffigkeit bei Windenergie-Vorranggebieten zu achten, damit sie für Investoren und Betreiber und damit die Umsetzung eine hohe Attraktivität haben.

Für einen guten Standort, sollte die Standortgüte möglichst größer als 50%und gleichzeitig die Windgeschwindigkeit in 160 m Höhe höher als 4,5 m/s sein. Diese Werte müssen bei Bedarf dem Stand der Technik angepasst werden.

5. Infrastruktur

Straßen:

Der BN schließt sich den Bauverbotszonen nach bayerischem Straßen- und Wegegesetz an. Daraus folgen für Vorranggebiete Abstände von:

  • 40 m von Autobahnen,
  • 20 m von Bundes- und Staatsstraßen,
  • 15 m von Kreisstraßen.

Da nach dem Urteil des VG Frankfurt/Oder (AZ 5K1030/18) vom 19.6.2019 nicht anzunehmen ist, dass Windenergieanlagen in der Baubeschränkungszone den Verkehrsablauf einer Straße beeinträchtigen oder gefährden, lehnen wir weitere Abstandsregelungen zu Straßenverkehrsinfrastruktur ab.

Freileitungen/Höchstspannungsleitungen, Hochspannungsleitungen 110KV-Bahnstromleitungen

Analog der Regelung in Thüringen befürwortet der BN für Vorranggebiete einen Abstand von 100 m.

Bahnlinien

Analog der Regelung in Thüringen befürwortet der BN für Vorranggebiete einen Abstand von 40 m.

Erdbebenmessstation

Bisher gelten Ausschlussgebiete für Flächen mit einem Abstand von 3 km. Wie auch in Nordrhein-Westfalen geregelt, fordert der BN eine Einzelfallüberprüfung, ob dieser Abstand verringert werden kann. Erdbebenmessstationen sollten keine generellen Ausschlussgebiete sein.

Militärische Anlagen

Der BN befürwortet eine Einzelfallprüfung, um einen möglichst geringen sachlich gerechtfertigten Abstand zu ermöglichen. Sie sollten keine generellen Ausschlussgebiete sein.

Flugfunkfeuer

Der BN befürwortet eine Einzelfallprüfung, um einen möglichst geringen Abstand zu ermöglichen. Sie sollten keine generellen Ausschlussgebiete sein.

Daneben fordert BN eine generelle Überprüfung der derzeitigen Vorgaben zum Sicherheitsradius der Radaranlagen.

Flugplätze

Der BN befürwortet eine Einzelfallprüfung in Abstimmung mit Luftfahrtbehörden, um einen möglichst geringen Abstand zu ermöglichen. Flugplätze sollten keine generellen Ausschlussgebiete sein.

Wetterradar

Der BN befürwortet eine Einzelfallprüfung in Abstimmung mit den zuständigen Behörden, um einen möglichst geringen Abstand zu ermöglichen. Sie sollten keine generellen Ausschlussgebiete sein.

Siedlungen

Um die geforderten 2% Flächenziele unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf Natur und Artenschutz zu erreichen muss die bisherig bestehende 10-H-Regelung abgeschafft werden. Der BN fordert ergänzend zu der 2022 erfolgten Lockerung eine vollständige Abkehr von der 10-H Regelung wobei folgende Kriterien gelten sollen:

  • Der BN befürwortet Vorrangflächen mit einem Abstand von 800 m zu Wohnbauflächen (Wohngebiete und Mischgebiete nach Flächennutzungsplan). Flächen mit geringeren Abständen zu Wohnbauflächen sollen nicht per se Ausschlussflächen darstellen, sodass Projekte im Rahmen der Bauleitplanung möglich sind, sofern keine anderen Ausschlusskriterien vorliegen.
  • Der BN befürwortet einen Abstand von mindestens 400 m zu Weilern und Einzelhöfen (Außenbereichssatzung) analog der Regeln in Niedersachsen und Schleswig-Holstein
  • Der BN lehnt Ausschlussgebiete rund um Gewerbe- und Industrieflächen ab. Nur die Vorgaben der Immissionsrichtlinien müssen eingehalten werden (so geregelt in Niedersachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern)

6. Natur- und Artenschutz

Natur- und Artenschutz sind bei der Ausweisung von Windkraftvorranggebieten von prioritärer Bedeutung, denn neben der Klimakrise droht auch die Biodiversitätskrise. Auch in Deutschland und Bayern ist das Artensterben ungebrochen hoch. Der Erhalt der Biodiversität und die Förderung gefährdeter Arten ist von genauso großem überragendem öffentlichem Interesse wie der Klimaschutz. Besonders bestimmte Vogel- und Fledermausarten gelten als windkraftsensibel und müssen gesondert betrachtet und bestmöglich geschützt werden. Entscheidend ist es aber auch, für die Biodiversität besonders wertvolle Gebiete großflächig von weiteren Belastungen freizuhalten und sie ökologisch zu verbessern. Diese Gebiete sind als zentrale Kernflächen und als großflächige Knoten in einem Biotopverbund von herausragender Bedeutung für den Ökosystem- und Populationsschutz. Gerade in Zeiten der Klimakrise und sich zunehmend verändernden und stark schwankenden Umweltbedingungen sind Arten auf ökologisch intakte großflächige Habitat-Komplexe angewiesen, die miteinander in Verbindung stehen. Wenn derartige Kernflächen zur Verfügung stehen, wirken sich Verluste einzelner Individuen außerhalb der Ausschlussgebiete aus ökologischer Sicht weniger schädlich auf die Populationen aus. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um streng geschützte Gebiete (s.u.) und wichtige Verbundachsen.

Für die Abgrenzung von Vorranggebieten für die Windenergienutzung sind gute Datengrundlagen zu windkraftsensiblen Arten und Wissen über deren Dichtezentren/ Schwerpunktvorkommen und Zugrouten nötig. Diese liegen jedoch leider nicht für alle Themenbereiche vor. Der BN fordert, dass diese Lücken schnellstmöglich geschlossen werden und die Gebietskulisse der Windkraft-Vorranggebiete regelmäßig überprüft und ggf. an neue Erkenntnisse zur Biologie und Verbreitung der betreffenden Arten angepasst wird.

Natürlich ist auch in Vorranggebieten bei der Errichtung von Windkraftanlagen der Schutz oder ggf. der Ersatz von Habitaten geschützter oder gefährdeter Arten zu beachten (z.B. Höhlenbäume, Unkentümpel), und daher im Zuge der konkreten Standortwahl zu erfassen.

6.1 Artenschutz

Der BN fordert, dass sich auch für windkraftsensible Vogelarten der Erhaltungszustand nicht verschlechtern und eine Verbesserung nicht behindert werden darf. Auch für diese Arten gilt das Ziel, den günstigen Erhaltungszustand zu erreichen, uneingeschränkt. Dazu sind Teile ihrer Verbreitungszentren von der Windkraft freizuhalten und zu optimieren.

Zusätzlich sind natürlich die anderen Ausschlussgebiete des BN weiterhin gültig.

Folgende Bereiche haben darüber hinaus besondere Bedeutung für den Vogel-/Fledermausschutz und dürfen nicht in die Kulisse der Vorranggebiete aufgenommen werden (Zuordnung zu den „neutralen“ Gebieten).

  • Räume mit Schwerpunktvorkommen mehrerer windkraftsensibler Arten
  • Korridore zwischen Wiesenbrütergebieten
  • Dichtezentren besonders gefährdeter Vogelarten mit ungünstigem Erhaltungszustand (z.B. Raufußhühner und Seeadler)
  • Dichtezentren der Fledermausart Großer Abendsegler, da die Art einen schlechten Erhaltungszustand und einen negativen Bestandstrend aufweist.
  • Flugrouten der Großen Abendsegler zwischen Dichtezentren (häufig in Städten) und nahegelegenen, essentiellen Nahrungshabitaten (insbesondere größere Gewässer)
     

Generell ist durch eine automatische, behördlich zu überprüfende, Abschaltung der Windkraftanlagen in Zeiten hoher Fledermausaktivität und durch Lebensraumoptimierung an anderer Stelle für einen ausreichenden Schutz der betroffenen Fledermauspopulationen zu sorgen. Diese Maßnahmen sind auch in Vorranggebieten vorzusehen.

Zuggebiete
Zuggebiete sind für den BN nicht generell Ausschlussgebiete. Hotspots des Zugs windkraftsensibler Arten sollten jedoch nicht in die Kulisse der Vorranggebiete einbezogen werden. Neben den Auswirkungen auf die Arten wäre hier mit längeren Abschaltzeiten zu rechnen, was sich auch negativ auf die Wirtschaftlichkeit der Anlagen auswirken würde. Eine Analyse der Zugkorridore schlaggefährdeter Arten muss von zuständigen bayerischen Fachbehörden durchgeführt werden.

Artenhilfsmaßnahmen für die durch Windkraft gefährdeten Arten

Die Änderung des BNatSchG nach Fassung vom 20.7.2022 sieht nationale Artenhilfsprogramme für die entsprechenden Arten vor. Der BUND Naturschutz fordert im Rahmen der zeitgleich begleitenden Fachplanung die Ausweisung einer Kulisse für derartige Maßnahmen. Insbesondere sind hierfür die aus naturschutzfachlicher Sicht genannten Ausschlussflächen für Windenergie-Vorranggebiete, deren Umfeld sowie Korridore zwischen derartigen Gebieten zu berücksichtigen. Ebenso gilt dies für bestehende Planungen für Schutzkonzepte und den Biotopverbund, wie sie in den ABSP-Bänden auf Landkreisebene dargestellt sind.

6.2. Schutzgebiete

Landschaften mit hohem Wert für den Naturhaushalt und insbesondere mit hohem Artenreichtum inklusive bedeutender Vorkommen der schlaggefährdeten Arten sind von Beeinträchtigungen und damit auch von WKAs freizuhalten.

Daher gelten folgende Gebiete für den BN als absolute Ausschlussgebiete für die Windkraft:

  • Nationalparke
  • Naturschutzgebiete
  • Alpenplan Zone C
  • Ramsar-Gebiete
  • Naturwaldreservate und Naturwälder nach BayWaldG
  • Biosphärenreservate Zone 1+2
  • Welterbe-Stätten
  • Natura 2000-Gebiete: Vogelschutzgebiete (SPA) und FFH-Gebiete
  • Wiesenbrütergebiete und Feldvogelkulisse (Puffer 1000m)

Die vom BN vorgeschlagene Kulisse eines zukünftigen Nationalparks Steigerwald soll vorausschauend ebenfalls ausgenommen werden.

FFH-Gebiete

FFH-Gebiete sind für sehr viele Arten und Ökosysteme zentrale Kernflächen und Vorrangflächen für den Erhalt der Biodiversität. Sie sind die Knoten in einem europaweiten Verbund zum Erhalt des wertvollsten Naturerbes Europas und Bayerns. In ihnen stehen der funktionale, ökosystemare Schutz von möglichsten großen, habitatreichen Lebensräumen im Vordergrund. Sie beherbergen auch große Populationen einiger von der Windkraft betroffenen Arten. Für die meisten der FFH-Gebiete gelten Verpflichtungen zur Renaturierung von Lebensräumen und zur Erhöhung der Bestände von Arten. Bestehende Belastungen sollen reduziert werden. Auch wenn in einzelnen FFH-Gebieten (derzeit) keine windkraftsensiblen Arten vorkommen, halten wir einen generellen Ausschluss des gesamten FFH-Netzes für nötig, um in diesen Gebieten eine möglichst ungestörte ökologische Optimierung und Renaturierung zu ermöglichen. FFH-Gebiete sind in ihrer ökologischen Wertigkeit Naturschutzgebieten gleichzustellen (und in anderen Bundesländern auch als solche ausgewiesen).

SPA-Gebiete

Durch den Verzicht auf Windkraftanlagen in SPA-Gebieten und in Korridoren zwischen solchen Gebieten werden ökologische Funktionszusammenhänge ebenso gesichert wie essentielle Flächen für bestimmte Arten. Ein Beispiel ist der Brachvogel: Er ist in Bayern vom Aussterben bedroht und seine Reproduktionsrate ist so gering, dass jede Beeinträchtigung (z.B. eine Meidung angestammter Brutplätze aufgrund der Errichtung WKA) den Erhaltungszustand erheblich verschlechtern kann. Zugleich sind die SPA-Gebiete bedeutende Rast- und Überwinterungsgebiete vieler Vogelarten, so dass eine Qualitätsminderung (z.B. Meidung des Umfelds von WKAs) ausgeschlossen werden muss.

Inwieweit ein Puffer um die SPA-Gebiete nötig ist, hängt vom einzelnen Vogelschutzgebiet ab und ist im Einzelfall zu prüfen. Ein besonders großer Pufferbereich ist insbesondere beim international bedeutsamen Ramsar-Gebiet „Ismaninger Speichersee“ nötig, das in Bayern ein einmaliger Hotspot für rastende und überwinternde Vögel ist. Die hierzu aus Telemetriestudien vorliegenden Erkenntnisse über die Zugschneisen sind zu berücksichtigen.

Der generelle Ausschluss von Natura 2000-Gebieten bedeutet auch eine Planungsbeschleunigung und Rechtssicherheit. Denn die Einbeziehung dieser Gebiete in eine Kulisse erfordert eine umfangreiche FFH-Verträglichkeitsprüfung, die auf der Ebene der wünschenswerten schnellen Ausweisung der Vorranggebiete nicht möglich ist. Würden sie ohne eine derartige Prüfung in Vorranggebiete einbezogen, bestünde eine hohe Rechtsunsicherheit und der Bau von Windkraftwerken in diesen Vorranggebieten könnte sich verzögern. Auch der Bundesgesetzgeber hat im Zuge der Ermöglichung von Windenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten die Natura 2000-Gebiete explizit aus der gesetzlichen Privilegierung ausgenommen (§26 (3) neu BNatSchG). Sie können somit nicht zu Vorranggebieten für die Windkraft werden. Natura 2000-Gebiete haben in und außerhalb der Landschaftsschutzgebiete den gleichen hohen ökologischen Wert, so dass sie generell aus den Vorranggebieten auszuschließen sind.

Wiesenbrütergebiete

Die Situation wiesenbrütender Vogelarten in Bayern ist sehr schlecht, ihre Lebensräume sind zu erhalten und zu optimieren. Da Arten wie der Kiebitz den Nahbereich von Windenergieanlagen meiden, würde die Errichtung solcher Anlagen in Wiesenbrütergebieten zu deren Entwertung führen.

Naturwaldreservate und Naturwälder nach BayWaldG (siehe Kapitel 7)

Biotope, Naturdenkmäler, geschützte Landschaftsbestandteile

Biotope, Naturdenkmäler, geschützte Landschaftsbestandteile dürfen nicht überbaut oder durch Veränderungen in Folge der Baumaßnahmen (z.B. Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes) geschädigt werden. In aller Regel handelt es sich um kleinräumige Lebensräume, deren naturschutzfachlicher Wert durch die Errichtung von Windenergieanlagen im näheren Umfeld nicht geschmälert wird. Sofern sich nicht in einer der oben genannten Ausschlussgebiete liegen, müssen sie daher nicht aus Vorranggebieten ausgeschlossen werden. Eine Beeinträchtigung muss jedoch im Zuge einer ökologischen Bauleitplanung bei der Errichtung der Windenergieanlagen sowohl in Vorranggebieten als auch in neutralen Gebieten ausgeschlossen werden.

Betitelung: Bayrische Landkreise mit Ausschlussgebieten Naturschutzgebiete, Natura 2000, Nationalparke, Ramsar-Gebiete, Biosphärenreservat Zone 1+2, Wiesenbrütergebiete und Feldvogelkulisse, Naturwaldreservat und Naturwald.

6.3 Naturparke und Landschaftsschutzgebiete:
Landschaftsschutzgebiete und Naturparke müssen nach Ansicht des BN nicht aus der Kulisse der Vorranggebiete ausgeschlossen werden. Allerdings ist hier besonders Rücksicht auf die Belange des Landschaftsschutzes zu legen.

Daher fordert der BN für Windenergie-Vorranggebiete in Naturparks und Landschaftsschutzgebieten in besondere Zonierungskonzepte durch Fachgutachten das folgende Faktoren berücksichtigt: dezentrale Konzentration, „umzingelnde“ Wirkung, kulturhistorisch bedeutsamen Einzelelemente mit hoher Fernwirkung, Bereiche für herausragender Bedeutung für das Landschaftsbild und landschaftliche Vorbehaltsgebiete.

Große naturschutzfachlich wertvolle Landschaftsbereiche (Naturschutzgebiete, FFH und Vogelschutzgebiete) sind bereits durch die flächenbezogenen Schutzkriterien vom Einbezug in die Kulisse der Vorranggebiete ausgeschlossen.

6.4 Unzerschnittene infrastrukturarme naturnahe Räume
Naturnahe Räume sind im Regelfall durch andere Schutzgebietskategorien abgedeckt (z.B. FFH-Gebiete) und sind daher kein Ausschlusskriterium. Nichtsdestotrotz ist in der Einzelplanung darauf zu achten, dass durch die Errichtung der Windenergieanlagen und deren Zuwegung keine unnötige neue Zerschneidung erfolgt.

7. Wälder

Wälder sind als Standorte für Windkraftanlagen aus der Sicht des Natur-, Arten- und Klimaschutzes in aller Regel problematischer als Offenlandstandorte außerhalb der oben genannten Ausschlussgebiete. Da ohne Standorte in Wäldern kaum die für den Ausbau der Windkraft notwendigen Flächen erreicht werden, lehnt der BUND Naturschutz Windenergieanlagen im Wald nicht generell ab (kein Ausschlussgebiet). Mit Auflagen wie insbesondere automatischen Abschaltungen aus Artenschutzgründen und der Neuschaffung von Habitatstrukturen ist in Wäldern in erheblich größerem Ausmaß zu rechnen, als bei Anlagen im Offenland. Dort wo Vorranggebiete Wälder einschließen, darf nach Ansicht des BN im Genehmigungsverfahren für die einzelnen Anlagen auf eine Erfassung windkraftsensibler Vogelarten mit kleinen oder abnehmenden Beständen nicht verzichtet werden. Ggf. sind automatische Detektions- und Abschaltsysteme für deren Schutz vorzusehen. Vorranggebiete im Wald sollen in bereits von einem breit ausgebauten Wegenetz erschlossenen Wäldern ausgewiesen werden, um den Waldflächenverlust möglichst gering zu halten. Wichtig ist es die konkreten Standorte für WKA im Wald so zu wählen, dass die Eingriffe (d.h. Rodungen, Kahlschläge, Wegausbauten) minimiert werden (Minimierungsgebot). Dies muss vor allem in Bannwäldern gelten sowie für Wälder mit besonderen Waldfunktionen.

Bestimmte Wälder sind für den BN jedoch Ausschlussgebiete:
Diese sind:

  • Naturwaldreservate und Naturwälder
  • Schutzwälder nach BayWaldG, Art. 10 Absatz 1 (unter anderem alpine Schutzwälder)
  • Wälder in nach Kapitel 6 ausgeschlossenen Schutzgebieten

Abwägungskriterium:
Sollten für die Ausweisung von Vorranggebieten Auswahlmöglichkeiten in einer Region vorhanden sein, sollte auf Waldstandorte verzichtet werden. Dies gilt insbesondere für

  • Naturnahe Wälder mit hohen Flächenanteilen standortheimischer Baumarten und einem Bestandsalter von über 100 Jahren (unter anderem Klasse I und Klasse 2-Wälder)
  • Bannwälder (Werden WKAs in Bannwäldern errichtet, sind Flächenverluste angrenzend an den Bannwald auszugleichen. Windenergieanlagen dienen der Bekämpfung der Klimakrise und sind daher anders als privatwirtschaftliche Vorhaben von der Ausgleichsregelung bei Bannwald nach Bayerischem Waldgesetz umfasst.)
  • Naturnahe Mischwälder

Selbstverständlich ist bei der konkreten Standortwahl auch in den Vorranggebieten darauf zu achten, dass die Anlagen möglichst in naturschutzfachlich weniger hochwertigen Waldbeständen errichtet werden.

8. Moorböden
Moore spielen für den Klimaschutz eine entscheidende Bedeutung. Ihre Wiedervernässung und die Renaturierung der Moor-Ökosysteme ist ein wichtiger Baustein für die Klimaneutralität und Erreichung der Biodiversitätsziele Bayerns. Daher fordert der BN alle Moorböden, die potenziell wiedervernässbar sind, als Ausschlussfläche auszuweisen. Das gilt damit für die meisten Moorböden. Entlang großer Verkehrstrassen etc. sind Ausnahmen in naturschutzfachlich wenig wertvollen und nicht aufwertbaren Moorbereichen denkbar.

8. Wasserversorgung

Gewässer und Wasserschutzgebiete der Zone I + II sind für den BN Ausschlussgebiete für die Windkraftnutzung.

Vorranggebiete „Wasserversorgung“ können nach Ansicht des BN in die Kulisse der Vorranggebiete aufgenommen werden, da keine konkurrierende Nutzung erkennbar ist.

In Überschwemmungsgebieten und Vorranggebieten „Hochwasserschutz“ muss gegebenenfalls der Retensionsraum ausgeglichen werden. Überschwemmungsgebiete sind im Regelfall aber sowieso aus anderen Gründen nicht in der Kulisse enthalten. Daher sind diese Gebiete für den BN neutrale Gebiete, die nicht als fixe Ausschlussgebiete zu behandeln, aber auch nicht vorrangig für Windenergie-Vorranggebiete zu nutzen sind.